Von Sinn und Unsinn
Ich glaube, dass es ein menschliches Bedürfnis ist, dass wir in unseren Erlebnissen einen Sinn erkennen möchten. Zumindest geht es mir so. Oft gelingt mir das aber manchmal will es mir trotz großer Mühe einfach nicht gelingen. Ein Beispiel dazu möchte ich mit euch teilen.
Vor wenigen Wochen konnten wir etwas ganz Neues erleben.
Es tauchte ein neues Virus auf, das im Extremfall auch Menschenleben gefährden kann. Das passiert immer wieder und es ist nichts ungewöhnliches. Neu war die Reaktion der Verantwortlichen. Fast alle Regierungen dieser Welt reagierten darauf sehr ähnlich und begründeten das mit den gleichen Argumenten. Sie erlassen Reiseverbote, fahren die Wirtschaft zurück und schränken unser privates Leben extrem ein. All das, mit der Argumentation, Menschenleben schützen zu wollen.
Genau die gleichen Regierungen lassen zu, dass alle zehn Sekunden ein Kind verhungert.
Das müsste nicht sein. Diese Menschenleben wären mit geringem Aufwand zu retten.
Das lassen die Regierungen geschehen, die behaupten, dass sie mit den aktuellen Maßnahmen Menschenleben retten wollen.
Das verstehe ich nicht! Das macht für mich keinen Sinn!
Die gleichen Regierungen führen Kriege und töten aktiv Menschen.
Wenn ich den Blick von der weiten Welt zu uns in die Region wende, dann lebe ich gerade mal 20 Minuten von Oberndorf entfernt. Ein Ort der traurigen Ruhm als eine der größten Waffenschmieden erlangt hat. Es gibt Schätzungen, dass alle vierzehn Minuten ein Mensch durch Waffen aus Deutschland, getötet wird.
Das wird von der gleichen Regierung unterstützt die mir vorschreibt, dass ich eine Maske tragen muss, weil ich sonst das Leben anderer Menschen gefährten könnte. Wie können ein und die gleichen Menschen auf der einen Seite behaupten, dass sie Menschenleben retten wollen, während sie auf der anderen Seite nicht nur tatenlos zusehen, dass Menschen verhungern und ertrinken, sondern sogar noch aktiv unterstützen, dass Menschen getötet werden?
Das verstehe ich nicht! Das macht für mich keinen Sinn!
Die gleichen Menschen, die jetzt scheinbar alles tun um Menschenleben zu schützen unterstützen ein Wirtschaftssystem das unsere Lebensgrundlage, die natürlichen Ressourcen, ausbeutet und zerstört und damit unser aller Leben in Gefahr bringt.
Das verstehe ich nicht! Das macht für mich keinen Sinn!
Auf der Suche nach dem Sinn habe ich eine interessante Beobachtung gemacht.
Seit Jahrzehnten findet in den sogenannten zivilisierten Gesellschaften eine bemerkenswerte Entwicklung statt. Unser Leben wird Schritt für Schritt immer mehr entsinnlicht. Auf der Suche nach unserem persönlichen Glück tauschen wir sogenannten Luxus und Bequemlichkeit gegen sinnliche Erlebnisse.
Dazu ein paar Beispiele:
Von der Sense zum Mähroboter. Eine Wiese mit der Sense zu mähen ist ein ganzheitliches, körperliches Erlebnis – Beim Mähen lassen mit dem Mähroboter sieht es anders aus.
Als Kind war es für mich ein echtes Erlebnis, das Garagentor zu öffnen. Mit zu viel Schwung kam es wieder runter und bei zu wenig geschah das gleiche. Es hat einiges an Feingefühl gebraucht, dass der Schwung genau so passte, dass das Tor oben blieb. Heute ist das nur ein leichter Druck auf den Garagentoröffner der uns das „abnimmt“.
Wir nennen es Luxus, wenn wir selbst im Winter keine unterschiedlichen Temperaturen fühlen müssen. 21° C in allen Räumen im Haus, in der Garage im vorgeheizten Auto, in der Tiefgarage und natürlich auch im Büro. Unser Immunsystem würde sich an unterschiedlichen Temperaturen stärken, stattdessen bekommt es eine Einheitssuppe, ohne sinnliches Erleben
Ich könnte endlos weiter aufzählen.
Wir haben immer mehr Luxus und tauschen dafür sinnliche Erlebnismöglichkeiten ein.
Hugo Kükelhaus, ein Künstler der sich sehr viel mit unseren Sinnen beschäftigt hat beschrieb die Funktion unserer Sinne wie die unserer Muskeln. Wenn wir sie nicht nutzen, dann verkümmern sie.
So haben wir uns über die Jahre zu einer schwachsinnigen Gesellschaft entwickelt.
Vor einigen Monaten ist diese Entwicklung eskaliert. Das Erleben unserer jetzt schon schwachen Sinne wurde nochmal extrem eingeschränkt.
Wir dürfen uns nicht mehr nahe kommen, ja nicht mehr berühren.
Wir dürfen uns nicht mehr mit allen Sinnen begegnen.
Ein großer Teil der Begegnungen findet über den Bildschirm statt. Ein großer Teil unseres Lebens wird auf zwei mehr oder weniger schlecht bediente Sinne, das Sehen und das Hören, reduziert.
Das hat dramatische Folgen denn:
Unsere Sinne verbinden uns mit der Welt,
durch unsere Sinne erleben wir uns und unsere Mitmenschen
durch unsere Sinne erleben wir den Sinn des Lebens.
Durch unsere Sinne können wir unsere Verbundenheit mit der Natur erleben.
Durch unsere Sinne erleben wir uns ale einen Teil der Natur.
Unsere Sinne sind bereits so weit verkümmert, dass wir nicht spüren, wenn wir einten Teil von uns selbst zerstören, wenn wir Natur zerstören.
Durch unsere Sinne können wir Sinn von Unsinn unterscheiden.
Aber wenn unsere Sinne zu schwach geworden sind, dann lassen wir alles mit uns machen.
Dann akzeptieren wir den größten Unsinn.
Aus dieser Perspektive bekommen die aktuellen Geschehnisse dann doch noch einen Sinn.
So kann ich mir erklären, dass wir so viele Handlungen mitmachen die vollkommen sinnlos sind.
So kann ich mir erklären, dass Politiker Entscheidungen treffen wie sie seit vielen Jahren getroffen werden.
Wir sind von Sinnen!
In dem Maß, in dem unsere Sinne verkümmern, in dem Maß verlieren wir auch den Sinn für unsere Handlungen, den Sinn für die Natur und den Sinn für das Leben..
Was können wir tun um die Situation zu ändern.
Ich finde es wichtig das Weltgeschehen aufmerksam zu beobachten.
Genauso wichtig finde ich es, aufzustehen und seine Meinung zu sagen, wenn man etwas nicht für richtig hält.
Aber noch wichtiger finde ich es, dass wir gemeinsam ein neues, zukunftsfähiges System aufbauen und nicht im Kritisieren des bestehenden stecken bleiben.
Wir können uns entscheiden für was wir unsere Energie einsetzen.
Unsere Energie ist unser Leben.
Die Energie, die wir für Kritik und Jammern verwenden fehlt uns für den konstruktiven Aufbau einer neuen Gesellschaft.
Wenn wir uns in dieser Welt in der wir leben nicht wohl fühlen, dann sollten wir gemeinsam eine Welt aufbauen in der wir uns wohl fühlen.
Wenn wir Solidarität für wichtig halten und gegen Konkurrenz sind – dann sollten wir Solidarität leben und Strukturen schaffen, die diese unterstützen. Beispielsweise die solidarische Landwirtschaft oder die solidarische Bauwirtschaft.
Nichts und niemand kann uns davon abhalten!
Wenn wir ein bedingungsloses Grundeinkommen für wichtig halten, dann können wir gemeinsam Strukturen aufbauen in denen wir uns solidarisch gegenseitig unterstützen. Wir können Finanzkooperationen gründen und gemeinsam füreinander sorgen.
Nichts und niemand kann uns davon abhalten!
Wenn wir den Erhalt der Natur für wichtig halten, dann können wir unser Leben so gestalten, dass wir die Natur so wenig wie möglich schädigen und die Kreisläufe der Natur unterstützen.
Nichts und niemand kann uns davon abhalten!
Wenn wir ein sinnvolles Leben möchten, dann können wir auf unsere Sinne achten und diese durch sinnliche Erlebnise entwickeln.
Nichts und niemand kann uns davon abhalten!
Wenn wir für Gerechtigkeit sind, dann können wir einen Lebensstil wählen bei dem wir nicht mehr an Ressourcen und Energie verschwenden als die Erde bei einer gerechten Verteilung für jeden zur Verfügung stellt.
Nichts und niemand kann uns davon abhalten!
Wenn wir selbst nicht das leben, was wir für richtig halten, dann werden wir zu einem Teil des Systems über das wir uns beklagen.
Nur durch uns kann das leben, wonach wir uns sehnen.
Wir haben unglaublich viele Möglichkeiten die Welt um uns zu gestalten.
Harald Welzer schreibt sehr treffend:
Die Welt ist zum Verändern da,
nicht zum Ertragen.